Memodo @ Meyer Burger: Ein Blick hinter die funkelnden Modulkulissen
Hergestellt in Deutschland, hochautomatisiert mit eigener Anlagentechnologie und in einem nachhaltigen Produktlebenszyklus: Meyer Burger geht in vielen Bereichen eigene Wege. Wir haben die Produktionsstätten besucht.
Vor den Toren von Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) und Freiberg (Sachsen) finden wir 2 Meyer Burger Standorte, mit denen die Schweizer die Renaissance der Modulproduktion in Deutschland einläuteten. In Bitterfeld-Wolfen hat sich schon zu Zeiten der DDR viel Chemie-Industrie angesiedelt. Diese zog Anfang der 2.000er Jahre verschiedene diverse Solarfirmen an, das „Solar Valley“ entstand.
Ab 2012 rollt eine Insolvenzwelle über das Solar Valley, sodass es 2014 fast ausstarb. Heute siedeln sich verschiedene Solar-Firmen wieder an, unter anderem Meyer Burger. Davon profitieren Fachkräfte und Experten der Region, die ihr Photovoltaik-Wissen wieder einsetzen können, was den Unternehmen auch heute wieder zugutekommt.
Zudem hat Meyer Burger die Fertigung von PERC-, TopCon- und Heterojunction-Technologie (HJT)-Solarzellen industrialisiert und für die Massenfertigung tauglich gemacht. Seine Anlagen sind heute an der Herstellung von nahezu 90 % aller verbauten PV-Module weltweit beteiligt. 2020 entschied sich der Hersteller, Anlagen und Technologien ausschließlich selbst zu nutzen und eigene Module ohne Knowhow-Transfer nach Asien zu fertigen.
Von der Zelle zum Modul
Es funkelt ─ die Produktionshalle ist mit Glas verkleidet, die Farben und Linien klar. Sie steht in Bitterfeld-Wolfen umgeben von anderen Hightech-Stätten. Beim ersten Schritt in die Halle wird es hell: helles Licht und helle Farben dominieren. In der Produktionshalle stehen hochautomatisierte Anlagen. In einem Abschnitt wird erweitert und der noch leere Platz bebaut. Die Produktionshalle ist 40.000 m² groß. Hier produziert Meyer Burger, als einziger Hersteller in Deutschland, seine eigenen Solarzellen. 2022 waren es 321 MW. Bis 2027 soll die Produktion auf ganze 7 GW ausgebaut werden. 24/7 wird gefertigt. Pro Schicht arbeiten etwa 40 Mitarbeiter*innen an diesem Standort.
Die Zellproduktion bei Meyer Burger beginnt mit dem Wafer und hauseigener Anlagentechnologie. Los geht‘s mit dem Optimieren der Waferoberfläche: Sägeschäden vom Prozess des Wafer-Schneidens werden entfernt sowie eine zielgerichtete Oberflächentopologie (Pyramidenstruktur) eingebracht. Das sorgt für eine bessere Lichtausbeute.
Aus den gereinigten und vorbehandelten Silizium-Wafern werden im nächsten Schritt elektrisch funktionsfähige Solarzellen. Für HJT-Solarzellen wird auf der Vorder- und Rückseite der Wafer eine Schicht aus amorphem Silizium aufgebracht, wie bei der Dünnschicht-Solar-Technologie. So lassen sich die Vorteile der Dünnschichttechnologie mit jenen der kristallinen Solarzelle verbinden.
Unsere Gruppe stellt sich nun vor den letzten Schritt der Zellproduktion: Hier werden die Kontakte auf den Zellen aufgebracht, über die später die Elektronen, also der elektrische Strom, fließen sollen. Dazu wird auf beiden Seiten der Zelle eine Silberpaste, wie beim T-Shirt-Druck, aufgetragen und anschließend getrocknet. Der Silberverbrauch wird bei Meyer Burger durch busbarlose Zellen deutlich minimiert.
Schauplatzwechsel
Von der Funkel-Umgebung und dem Solar Valley geht es für uns weiter nach Freiberg. Die Halle für die Meyer Burger Modulproduktion ist nicht weniger futuristisch. Hier hat Meyer Burger 2 Produktionslinien in Betrieb und schöpft somit die volle Kapazität der Halle aus. Eine dritte Produktionslinie wird in einer neuen Halle erbaut. Für die Herstellung der Module wird erst das Glas gereinigt und auf Mängel untersucht, dann geht es los. Auf das Glas wird ein Einbettungsmaterial gelegt, das als Unterlage für die Solarzellen dient.
Bevor die Zellen auf das Modul kommen, wird zunächst das „Layout“ geschaffen. Dafür werden die Zellen nach gleichem Wirkungsgrad und Farbe sortiert und zu Strings verbunden. Als Verbindung kommt die Meyer Burger SmartWire-Technologie zum Einsatz.
Eine Folie, in der haardünne Drähte eingelassen sind, wird mit je 10 Zellen zu einem String verwebt. 6 solcher Strings kommen nebeneinander aufs Glas. Dank der SmartWire-Technologie muss nicht gelötet werden, das heißt für die Zelle: kein thermischer oder mechanischer Stress. Stattdessen werden die Zellen und das Glas mit den Drähten und dem Einbettungsmaterial in einem großen Ofen durch ein Vakuum und Temperaturen um 150°C zu einem festen Verbund laminiert. Zum Schluss kommen noch eine angeschweißte elektrische Anschlussdose samt Kabeln und Anschlussstecker sowie ein verklebter umlaufender Aluminiumrahmen dazu, bevor das Modul eine finale Qualitätskontrolle durchläuft.
Meyer Burger betreibt sein eigenes VDE zugelassenes Testlabor, sodass sämtliche Zertifizierungen selbst vorgenommen werden können. Getestet wird zum Beispiel die Beständigkeit der Module gegen bis zu 35 mm große Hagelkörner oder extreme Wetterschwankungen von -40° bis zu +85° C und dauerhaft heißer Luftfeuchte bis 85°RH über tausende Stunden. Auch die Stecker bleiben nicht verschont.
Unser Geschäftsführer und Gründer Tobias Wenleder konnte sich am sogenannten Module-Breakage-Test selbst von der Widerstandsfähigkeit der Meyer Burger Module überzeugen. Nur mit viel Muskelkraft und ordentlich Schwung gelang es ihm im dritten Versuch die Glasplatte des Moduls mit der 45 kg schweren „Abrissbirne" zu zerbrechen.
Abfall, Ressourcen & mehr
Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur von Meyer Burger: Alle Standorte werden entweder mit Ökostrom oder selbst erzeugter Energie versorgt. Neue Wafer-Lieferanten aus Norwegen arbeiten mit Strom aus Wasserkraft.
Um den Energieverbrauch in der Produktion möglichst gering zu halten, hat Meyer Burger viele seiner Fertigungsschritte grundlegend neu durchdacht. Zum Beispiel wird beim Auftragen der Metallpasten auf die Solarzellen lediglich eine Temperatur von 200 °C benötigt, während das herkömmliche Einbrennen bei bis zu 1.000° C stattfindet. Auch das Zusammenlegen der Prozessschritte Laminieren und Löten im Solarmodul spart Energie bei der Herstellung.
Im Produkt selbst verzichtet Meyer Burger auf Giftstoffe wie Blei oder andere toxische Chemikalien. Das ist ein Pluspunkt bei der späteren Entsorgung des Moduls. Im Produktlebenszyklus eines Meyer Burger Glas-Glas-Moduls werden verglichen mit Modulen mit PERC-Technologie knapp 30 % des entstehenden CO2 pro kWp eingespart. Durch selbst entwickelte, wiederverwendbare Transportboxen für die Solarzellen kann Verpackungsmüll eingespart werden.
Aber auch Partner entlang der Wertschöpfungskette werden bewusst ausgewählt. Meyer Burger bevorzugt regionale Lieferanten und hofft in Zukunft noch mehr Komponenten und Rohstoffe aus Europa oder sogar Deutschland beziehen zu können. Bei Rohstoffen, die nur aus China kommen können, wird ein Augenmerk auf die dortigen Arbeitsbedingungen gerichtet.
Helle Zukunftsaussichten
In den USA entsteht gerade eine neue Produktionsstätte, die wahrscheinlich 2024 anlaufen wird. Sie soll den amerikanischen Markt versorgen und sitzt passend im Valley of the Sun in Arizona. Jährlich sollen 2 GW „vom Band“ laufen.
Der Modulmarkt war bisher geprägt von knallharten Preiskämpfen, bei denen Hersteller aus Asien die Nase vorne hatten. Während zum Beispiel für den Import von Glas Strafzölle anfallen, können fertige Module problemlos importiert werden. Aber der Wendepunkt ist da und damit der Fokus auf Technik und Qualität. Hier sieht sich Meyer Burger sehr gut aufgestellt.
Eigene Erfahrung in der Maschinenherstellung, Produktionstechnologien und Herangehensweisen unterstreichen die Unabhängigkeit. Und das Innovationsrad dreht sich weiter: Zusammen mit dem CSEM in der Schweiz, dem Helmholtz-Zentrum Berlin, dem Fraunhofer ISE und der Universität Stuttgart arbeitet Meyer Burger an neuen Technologien wie der Rückkontaktsolarzelle und der Perowskit-Tandemtechnologie. Mit diesen Informationen verlassen wir die funkelnden Meyer Burger Hallen.
Zusammengefasst
- Das Memodo Team besuchte Meyer Burger an seinen Produktionsstätten in Bitterfeld-Wolfen und Freiberg.
- Zelltechnologien, Zellproduktion, die Modulproduktion, Nachhaltigkeit sowie die Hallen selbst wurden unter die Lupe genommen.
- Die Zukunftsaussichten bringen den Produktionsstart in den USA, neue Modultechnologien und gute Karten im Modul-Spiel.
Titelbild: © Meyer Burger