Wärmepumpe bei Eis und Schnee? Was wir von Skandinavien lernen können
Du hast das sicher schon oft gehört: „Wärmepumpen lohnen sich in Deutschland nicht, es ist einfach zu kalt hier.“ Der deutsche Winter ist ein beliebtes Argument gegen die Wärmepumpe. Dabei ist das Heizen mit Strom im kühlen Skandinavien alltäglich. Wie unsere nordischen Nachbarn Spitzenreiter bei der Wärmepumpe wurden und was wir davon lernen können, erklären wir dir in diesem Ratgeber.
In Deutschland liegen wir beim Ausbau der Wärmepumpe weit hinter Skandinavien. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) gibt in seinem Energie-Newsletter an, dass die allermeisten deutschen Haushalte immer noch mit fossilen Energieträgern wie Erdgas und Öl heizen. In Skandinavien sieht das anders aus – aber warum? Was macht z.B. Schweden besser? Diese Frage haben wir schon in unserem Podcast „Energie aufs Ohr“ besprochen. Hier gehen wir noch einmal ins Detail.
Die Wärmepumpe in Skandinavien im Überblick
Die nordischen Länder* haben sich den Titel als Musterschüler beim Heizen mit Wärmepumpe verdient. Kein Land Europas kann in diesem Segment mit ihnen mithalten.
- Dänemark: Rund 30 % der dänischen Haushalte nutzen Wärmepumpen für ihre Heizung. Dänemark investiert dazu stark in besonders große Wärmepumpen für Fernwärme: Die Küstenstadt Esbjerg ersetzt gerade ein Kohlekraftwerk mit der derzeit weltgrößten Wärmepumpe mit 50 MW Leistung, die 100.000 Menschen versorgen wird.
- Norwegen: Norwegen hat eine der höchsten Wärmepumpen-Quoten in Europa: Gut 66 % der norwegischen Haushalte nutzen sie bereits.
- Schweden: 50 % der schwedischen Haushalte nutzen Heizsysteme mit Wärmepumpe. Dazu werden sie in über 80 % der Neubauten installiert.
- Finnland: In Finnland werden etwa 30 % der Haushalte mit Wärmepumpen beheizt. Das Land ist außerdem Spitzenreiter beim Ausbau – 2022 erhielten 7 % der finnischen Haushalte eine neue Wärmepumpe.
Und das alles bei Temperaturen, die uns in Deutschland schon beim Lesen zittern lassen:
Der Wärme-Kompass zeigt nach Norden: Was uns Skandinavien voraus hat
Die Skandinavier haben die Wärmewende früh eingeleitet und seit Anfang der 90er Jahre ihre Heizungen auf Strom und Wärmepumpen umgestellt. Während Deutschland erst 2021 eine CO2-Steuer einführte, gibt es sie in Schweden und Dänemark schon seit über 30 Jahren. Auch die Förderung, etwa über Steuererleichterungen oder Zuschüsse, schuf Anreize, von fossilen Energieträgern auf nachhaltige Methoden umzustellen. Außerdem setzen die Menschen in Skandinavien aufgrund der kalten Winter schon lange auf gute Isolierung. Sie verwenden außerdem viele Wand- sowie Fußbodenheizungen, die sehr gut mit Wärmepumpen zusammenarbeiten. Wir haben dieses Thema in unserem Ratgeber zum Thema Wärmepumpe und Fußbodenheizung genauer unter die Lupe genommen. Die Rahmenbedingungen für die Wärmepumpe sind im Norden also gut – und sie sind dementsprechend beliebt:
Die Wärmepumpe in Deutschland – eine Aufholjagd
Deutschland liegt bei der Wärmewende gegenüber Ländern wie Finnland oder Norwegen zurück. Während hier etwa 2 Wärmepumpen je 100 Menschen in Betrieb sind, sind es in Norwegen 30. Auch der Ausbau läuft hier schleppender: Die Bundesregierung hat zwar das Ziel ausgegeben, 500.000 neue Wärmepumpen im Jahr zu installieren, 2022 waren es jedoch nur 236.000. Das entspricht einer Quote von unter 6 Wärmepumpen je 1.000 Haushalte. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 war die Einbauquote in Finnland mit 70 Wärmepumpen je 1.000 Haushalte mehr als 11x so hoch wie in Deutschland. Die Förderungen des BMWK sollen dabei helfen. Wir haben sie in der Memodo Wissenswelt für dich zusammengestellt.
Stark genug für den Winter am Polarkreis? Ja!
Es gibt verschiedene Arten der Wärmepumpe, die wir hier in unserer Wissenswelt für dich aufschlüsseln. Darunter ist die Luft-Wasser-Wärmepumpe als Monoblock am beliebtesten. Auch in Skandinavien sind solche Modelle weit verbreitet, denn selbst bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ist die Wärmepumpe noch sehr effizient. Das zeigt dieses Diagramm:
Der Coefficient of Performance, kurz COP, beschreibt die Effizienz einer Wärmepumpe. Ein Wert von 3 bedeutet, dass 1 kWh elektrischer Energie in 3 kWh Heizleistung umgewandelt wird. Zum Vergleich: Moderne Gaskessel erreichen nur COP-Werte von etwa 0,9. Die effektive Heizleistung der Wärmepumpe ist dabei von den Gegebenheiten vor Ort abhängig. Ein gut gedämmtes Haus erhält Wärme besser und kann daher auch mit niedrigeren Vorlauftemperaturen heizen. Die richtige Heizung hat ebenfalls Einfluss auf die Heizleistung der Wärmepumpe: Eine Fußbodenheizung, Niedrigtemperatur- oder Plattenheizkörper eignen sich hier besonders gut.
Wir haben hier die Daten für die Wärmepumpe zusammen mit verschiedenen Heizsituationen an zwei Orten in Deutschland konkret verglichen:
- Freiburg im Breisgau, die durchschnittlich wärmste Stadt Deutschlands.
- Oberstdorf im Allgäu, bekannt aus dem Wintersport und im Jahresdurchschnitt kälteste Gemeinde Deutschland.
Die Jahresarbeitszahl (JAZ) bezeichnet den durchschnittlichen COP einer Wärmepumpe über ein Jahr. Der Berechnung liegt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit 9 kWh Leistung zugrunde.
Ort | Heizsituation | Vorlauf- / Rücklauftemperatur | JAZ |
---|---|---|---|
Freiburg | Altbau mit Heizkörpern | 60 °C / 50 °C | 3,8 |
Freiburg | Neubau mit Fußbodenheizung | 40 °C / 30 °C | 4,5 |
Oberstdorf | Altbau mit Heizkörpern | 60 °C / 50 °C | 3,1 |
Oberstdorf | Neubau mit Fußbodenheizung | 40 °C / 30 °C | 3,6 |
Die Luft-Wasser-Wärmepumpe funktioniert also auch in den kältesten Regionen Deutschlands sehr effizient – ob im Altbau oder im Neubau.
Wenn es eisig wird: Wärmepumpen für kalte Regionen
Die Skandinavier kochen (und heizen) auch nur mit Wasser – die Luft-Wasser-Wärmepumpen in Schweden sind dieselben Modelle, die du in Deutschland installierst. Ihre Vorlauftemperatur und Heizleistung reichen völlig aus, um einen deutschen Haushalt durch den Winter zu bringen. Falls es im Winter dauerhaft sehr kalt (d.h. -15 °C oder kälter) wird, ergänzt du die Wärmepumpe mit einem Heizstab. Auch ein Modell mit geringer Leistung reicht dafür aus. Solche arktischen Temperaturen werden in Deutschland jedoch kaum erreicht.
Wenn du ganz sicher gehen willst, dass die Wärmepumpe auch im kältesten Winter oder starken Höhenlagen gut heizt, kannst du diese Modelle prüfen:
- Hochtemperatur-Wärmepumpe: Diese leistungsstarken Luft-Wasser-Wärmepumpen bieten eine besonders hohe Vorlauftemperatur. Die Serie Altherma 3 HT von Daikin oder die Bosch CS6800i erreichen dabei besonders hohe Temperaturen von 70–75 °C. Dadurch eignen sie sich besonders gut für unsanierte Altbauten oder Mehrfamilienhäuser.
- Sole-Wasser-Wärmepumpe: Geeignet für sehr niedrige Temperaturen nutzt sie thermische Energie aus der Erde statt der Luft. Die Installation ist aufwändiger und mit zusätzlichen Auflagen verbunden. Dieses Modell ist in den nördlichen Regionen Norwegens beliebt.
- Luft-Luft-Wärmepumpe: Auch bekannt als Klimaanlage. Sie glänzt dann, wenn die Temperaturen über das Jahr stark schwanken: Etwa in den feuchtwarmen Sommern und eiskalten Wintern Finnlands, wo 3 von 4 Wärmepumpen Luft-Luft-Anlagen sind. Sie eignen sich nur für gut isolierte Häuser.
Wärmepumpe bei Kälte – deine Checkliste für die Installation
Wir haben die allgemeinen Voraussetzungen für den Einbau einer Wärmepumpe in der Memodo Wissenswelt zusammengefasst. Speziell zum Thema „Wärmepumpe im Winter“ und zur Frage, ob sich eine Hochtemperatur-Wärmepumpe lohnt, kannst du zusätzlich diese kurze Checkliste durchgehen:
- Wie kalt wird es im Winter?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) bietet nach Region aufgeschlüsselte Klimakarten an. Zusammen mit dem Klimaatlas des DWD siehst du, bei welchen Temperaturen die Wärmepumpe arbeiten muss. - Wie ist der Sanierungsstand?
Ist das Haus energetisch saniert? Wenn nicht, solltest du das zuerst angehen. Selbst in sehr kalten Regionen ist es sinnvoller , statt einer Hochleistungs-Wärmepumpe ein reguläres Modell zu installieren und gleichzeitig die Dämmung des Hauses zu verbessern. - Welche Heizung ist verbaut?
Fußbodenheizung, Wandheizung oder Plattenheizkörper benötigen keine hohe Vorlauftemperatur. Eine „normale“ Luft-Wasser-Wärmepumpe reicht aus. - Lohnt sich ein Heizstab?
Ein zusätzlicher Heizstab zur Wärmepumpe ist dann nützlich, wenn die Wärmepumpe in einer besonders kalten Region arbeitet, d.h. regelmäßige Temperaturen von -15 °C und kälter. Heizstäbe arbeiten besonders effizient in Häusern mit installierter Photovoltaik – Stichwort Sektorenkopplung.
Fazit & Ausblick
Es ist ein Mythos, dass es in Deutschland zu kalt für Wärmepumpen ist. Das beweist ihre hohe Verbreitung in den kalten Ländern Skandinaviens.
Luft-Wasser-Wärmepumpen bieten genug Leistung, um ein Haus in Deutschland nachhaltig zu heizen. Die Rahmenbedingungen sind viel wichtiger: Dämmung, Sanierungsstand, Heizsystem und Strompreis. Hochtemperatur-Modelle sind vor allem für Sonderfälle wie Mehrfamilienhäuser und Altbauten interessant.
Die Zahl der Wärmepumpen in Deutschland wird in den nächsten Jahren stark ansteigen, denn sie sind ein essenzieller Teil der nachhaltigen Wärmewende. Die Skandinavier haben es vorgemacht und wir können viel von ihren Erfolgen lernen.
Wenn du mehr zum Thema Wärmepumpe und Skandinavien wissen willst: Wir haben in Folge 38 unseres Podcasts mit der Expertin Dr. Sybille Baumgart darüber gesprochen.
Mehr zum Thema aus der Memodo Wissenswelt
- Überblick zu den Voraussetzungen für Wärmepumpen @ Memodo Wissenswelt
- Förderungsübersicht zur Wärmepumpe @ Memodo Wissenswelt
- Podcast „Energie aufs Ohr“ zur Wärmepumpe in Skandinavien
- Podcast „Energie aufs Ohr“ zur Wärmepumpe im Altbau
- Ratgebertext zum Thema Wärmepumpe und Fußbodenheizung
- Ratgebertext zum Thema Heizstab und Photovoltaik
*Hinweis: Wenn wir in diesem Ratgeber von „Skandinavien“ sprechen, meinen wir damit die nordischen Länder Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland. Finnland gehört geographisch zwar nicht zu Skandinavien, ist seinen westlichen Nachbarn nicht nur bei der Wärmepumpe ähnlich. Darum beziehen wir das Land der 1.000 Seen hier mit ein.